Besinnung auf unsere wechselseitige Verantwortung

, ,

Interview Silke Ehrenbrandtner, Geschäftsführung Lebenshilfe Kärnten im Rahmen der Interviewserie „Chancen sehen“ des Verantwortung zeigen! Netzwerks.

Die Interviewserie lässt uns an den persönlichen Erfahrungen während der Zeit der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 teilhaben und an jenen Perspektiven, die sie für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft daraus gewonnen haben.

 

  1. Was waren die wichtigsten Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten Wochen?

Es war die Erfahrung dieses unglaublichen Teamgeistes, dessen Ausmaß ich in allen meinen bisherigen Führungsrollen noch nicht gespürt habe. Dieser starke Rückhalt, dass alle an einem Strang ziehen, gab jedem von uns enorm viel Kraft. Es war auch erstaunlich, wie schnell und effizient sich alle auf neue Gegebenheiten wie Teleworking eingestellt haben. Diese visuelle Verfügbarkeit durch die Videokonferenzen schaffte in Zeiten der sozialen Distanz eine wesentliche Sicherheit und Nähe im Miteinander.

Eine weitere Erkenntnis war, wie wichtig das persönliche Gespräch mit MitarbeiterInnen in dieser Krisenzeit ist. Den Raum für persönliche, soziale Themen zu öffnen und für Gespräche jeglicher Art offen zu sein, deckte einen wesentlichen Bedarf ab, der durch das Social Distancing entstanden ist. Dabei kann das Anbieten eines Entlastungsgespräches oft schon ausreichen.

 

  1. Was war der wohl prägendste Moment?

Als eine begleitete Person, die zur Hochrisiko-Gruppe zählt, als Verdachtsfall mit einer Lungenentzündung stationär aufgenommen wurde. Dieser Moment bleibt so massiv gefühlt in Erinnerung. Es war in einer Situation, in der man dachte, man hat mit Maßnahmen, Leitfäden & Co alles unter Kontrolle und auf einmal holt Dich dieser eine Moment wieder zurück und Du realisiert wieder, worin die tatsächliche Gefahr dieser Krise liegt – dass es Menschen gibt, die diesen Virus nicht überleben.

 

  1. Was ist das Allerwichtigste, das Sie sich wünschen, dass wir aus der Krise lernen?

Dass diese Werte einer solidarischen Zivilgesellschaft, die wir alle so einschlägig erlebt haben, weitergetragen werden. Es sind nämlich die zentralen Werte einer inklusiven Gesellschaft, in der man Verantwortung für einen anderen übernimmt und respektvoll zueinandersteht.

 

  1. Wo braucht es in Wirtschaft und Gesellschaft auch neue Wege?

Der Weg der Inklusion ist noch viel deutlicher zu gehen als zuvor. Die Aufmerksamkeit muss noch viel mehr darauf gerichtet werden, welche positiven Effekte die wechselseitige Verantwortung und der gegenseitige Respekt – sei es gesellschaftlich oder wirtschaftlich – füreinander hat. Auf diesem Mehrwert gilt es aufzubauen.

Wesentlich hat die Krise gezeigt, welche tragende und wertvolle Rolle regionale Unternehmen für sowohl Wirtschaft als auch das soziale Gefüge besitzen. Die Aufmerksamkeit ist vermehrt darauf gerichtet worden, unabhängiger von den großen, globalen Konzernen zu werden. Aber auch, dass man Reisewege auf ihre Effizienz überdenkt und auf technikbasierte Konzepte umsteigt.

 

  1. Welches Motto würden Sie der Zeit nach Corona zuschreiben wollen?

Ein Zitat von Viktor Frankl trifft es: „Äußere Krisen bedeuten die große Chance, sich zu besinnen.“ In diesem Besinnen steckt für mich die Chance, seine Aufmerksamkeit wieder auf das Wesentliche zu richten.

 

  1. Welches Glück haben Sie in den letzten Wochen entdeckt?

Das Glück der kleinen Momente.

 

30. April 2020