11. Juli 2022, Heft in Hüttenberg. Wie verändern der Rahmen des Europäischen Green Deals und die Erfahrungen neuer Kooperationen und Partnerschaften die Wirtschaft und welche Themen stehen in Unternehmen an, um die Potentiale des Shifts in Richtung Nachhaltigkeit zu nutzen? Gelingt uns ein Narrativ für die Region, das gemeinsam voranbringt? All diesen Fragen und möglichen Antworten widmete sich am 11. Juli eine hochkarätige Runde von Führungskräften aus unterschiedlichen Branchen beim diesjährigen VZ Thementag.

 

„Ich bin Europäer aus Leidenschaft“, so beginnt Martin Selmayr seinen Impuls am Beginn des diesjährigen Thementages. Der oberste Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich ist zu Gast beim Thementag des Verantwortung zeigen! Netzwerks, der in diesem Jahr Führungskräfte aus rund 40 Unternehmen in die Heft in Hüttenberg führt.

Der Ort besticht durch eine Anmutung als Lost Place, hier glühten vor rund hundert Jahren die Hochöfen einer der größten Eisenwerksanlagen Europas. Der Architekt Günther Domenig verlieh dem ehrwürdigen Bau für eine frühere Landesausstellung durch Stahl und Glaselemente und moderne Zubauten eine künstlerische Perspektive. Unter dem Motto „Diagonal“ wurde die Heft anlässlich des 10 Todestages von Domenig dieses Jahr wieder geöffnet und stand für den Thementag dem VZ Netzwerk exklusiv zur Verfügung.

 

Wir Europäer treiben die Entwicklung voran

Der Tag widmete sich dem Green Deal und seinen Auswirkungen für die Unternehmen und die Region. Und dort setze Selmayr eben an: Europa hat das Pariser Klimaabkommen und die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen intensiv mit ausgehandelt und den Europäischen Weg mit dem Green Deal festgemacht. „Wir haben Verantwortung für unseren Planeten, es kann so nicht weitergeben. Wir stellen unsere Existenz in Frage, wenn wir so weitermachen. Wir müssen mit allen Mitteln und Kräften die Erderwärmung begrenzen“, so Selmayr. Europa käme dabei eine besondere Rolle zu. „Reden wir uns nicht klein, wir haben uns als gesamter Kontinent, als einziger der Erde verbindliche Ziele gegeben, bis längstens 2050 klimaneutral zu sein und bereits bis 2030 unsere CO2-Emissionen um 55% zu reduzieren. Das gibt uns Macht und Einfluss, den wir nützen müssen. Wir Europäer treiben die Entwicklung voran.“

Dazu werde ein europäischer Rechtsrahmen festgeschrieben mit klaren Zielen, auf die sich die BürgerInnen und und auch die Unternehmen und Regionen verlassen können, was in den einzelnen Bereichen getan werden müsse, ob in der Mobilität, der Landwirtschaft, im Bereich der erneuerbaren Energien oder dem Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Es ist ein großer Transformationsprozess, den wir angestoßen haben.

Selmayr benennt Kriterien für den Erfolg der Realisierung:

  • Alle müssen einbezogen werden in den Deal, den Pakt. Wir brauchen breiten Konsens auch unter allen Regierungschefs und Mitgliedsstaaten, das darf durchaus seine Zeit brauchen.
  • Die Umsetzung wird konsequent in Gesetze gegossen, die für den gesamten Kontinent gelten. „Integration durch Recht ist ein großer Fortschritt.“ Klimapolitik ist damit nicht nur Politik, sondern Gesetz.
  • „Europäischer Green Deal“ ist ein Slogan, hinter dem die Wirtschaftsmacht Europa steht. Wir sind der größte Binnenmarkt der Welt, hier werden die Spielregeln für die Weltwirtschaft gemacht.
  • Wir haben in Europa in den letzten Jahren bereits relativ bezogen auf das Wachstum CO2-Einsparungen erzielen können – es geht also. Das macht Mut, das Wachstumsvorhaben zu forcieren im Rahmen der klimapolitischen Zielvorgaben. Der Green Deal ist ein Innovations- nicht nur ein Klimavorhaben.

Selmayr betont im Folgenden in Bezug auf den Angriffskrieg Russlands und die Konsequenzen für die europäische Energieversorgung den Wert der Demokratie als wichtigster Bindefaktor der EU. „Wir sind demokratisch und stark, wir streiten um den richtigen Weg und sind zuversichtlich, dass wir es am Ende schaffen.“ Dabei müssen wir, so Selmayr, die Schwächeren der Gesellschaft gut abfedern. Die soziale Frage rücke also stark in den Vordergrund.

 

Unternehmen gehen mit gutem Beispiel voran

Am Weg dieser Transformation können und sollen Unternehmen, so Selmayr vorangehen:

  • Betriebe mit Innovation und guten Produkten können Marktanteile gewinnen.
  • Wer sich gut vernetzt, ist gut aufgestellt für die vielfältigen Fördermöglichkeiten der EU.
  • Der Blick auf die Lieferkette gewinnt noch mehr an Bedeutung. Wo sind wir abhängig und dürfen in Zukunft nicht mehr nur auf den Preis schauen? Hier gibt es eine große Eigenverantwortung der Unternehmen.

Und er schließt mit einem Plädoyer für die Zukunft: „Halten wir jetzt stark zusammen, kritisieren wir uns, aber lassen wir die Demokratie nicht scheitern. Bekennen wir uns zum Meinungsstreit und zum Kompromiss. Es lohnt sich immer für den Frieden und die Demokratie. In Europa gibt es keine radikalen Lösungen – und das ist gut so.“

 

Die Distanzen werden sich verändern

Für den Landeshauptmann Peter Kaiser betont die Nationalratsabgeordnete Petra Oberrauner den Wert und die Bedeutung der Bildung von Clustern und zeichnet den erfolgreichen Weg des Raumes Villach als Technologiestandort nach. Dies bringe eine breite Wirkung auch in Richtung von Klein- und Mittelunternehmen und schaffe in der Region hohe Flexibilität durch die Vielgliedrigkeit der Wirtschaftsstrukturen. Die Distanzen werden sich in den kommenden Jahren im Süden Österreichs stark verändern, so Oberrauner. Mit dem Koralmtunnel rücken nicht nur die Steiermark und Kärnten enger aneinander, auch verändere sich die Anbindung an die baltisch-adriatische Achse. Das werden Unternehmen auch in den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt spüren und sollten Chancen nutze.

 

Wert ist, was wir uns leisten wollen

„Unser Globus ist ein geschlossenes System, wir werden also wieder lernen müssen gemeinsam zu denken“, beginnt Manfred Freitag, Vorstand der Kelag seinen Beitrag und fordert:

  • Es fehlt uns an Geschwindigkeit. „Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit“. Es läuft uns die Zeit davon; wir sind die letzten, die noch etwas tun können. Wir müssen Geschwindigkeit aufnehmen und diversifizieren. „Man steht auf mindestens drei Beinen“. Wenn die Komplexität zunimmt, müssen wir schneller werden.
  • Der Umbau der Wirtschaft ist wie „wie eine Operation am offenen Herzen“. Dazu braucht es dreierlei, so Freitag: Bauchgefühl, Grundvertrauen und Hausverstand.
  • Es gilt das Entweder-oder zu streichen und durch ein Sowohl-als-auch zu ersetzen. Wir brauchen alle, um die Zukunft zu schaffen. Wir sind entweder kreativ im Sinne von Innovation oder unkreativ in Form von Strafzahlungen. Generell müsste sich der Mindset der Menschen rasch wandeln: „Wert ist was wir uns auch leiten wollen. Wir brauchen auch wieder ein Denken in Richtung Lagerwirtschaft und Courage“, so Freitag.

 

Erfolgreich ist, was Neues anstößt

Nach der Europäischen Ebene und der Umsetzung auf die Region und die regionale Wirtschaft im internationalen Kontext bot der abschließende Impuls am Vormittag Gelegenheit, Kriterien für erfolgreiche Partnerschaften zu beleuchten. Dazu gab Michael Fembek, Leiter der Essl Foundation und Herausgeber des CSR-Guide Einblick in viele Erfahrungen von Kooperationen und Initiativen in Österreich und darüber hinaus. Es seien alles Dinge, die bleiben, die wieder Neues anstoßen und Neues schaffen. Er benennt 10 gute Beispiele, wie besonders auch sektorübergreifende Kooperatoren gelingen. Fembek wies in diesem Zusammenhang auch auf die Bedeutung von Medienkooperationen und die (potentielle) Rolle des Staates als „Entrepreneurial State“ hin. Auch die Hemmnisse wurden genannt, insbesondere zu hohe Komplexität von Initiativen oder der Faktor, dass gute Ideen nicht innerhalb der Organisation wurzeln können und Akzeptanz finden. Daher braucht es für das Gelingen von Kooperationen immer verschiedene Rollen: eine Moderation, eine Steuerung, eine Katalysatorrolle, SprachenverbinderInnen und verbindende Netzwerkprozesse.

 

Nach der Mittagspause und einer Führung durch die Anlage in der Heft teilten sich die Teilnehmenden in vier Themengruppen und widmeten sich folgenden Fragen:

 

Themengruppe 1: MANAGEMENT

  • Welche Themen stehen in Unternehmen jetzt an, um die Potentiale des Shifts in Richtung Nachhaltigkeit zu nutzen? Diese Themengruppe nimmt in den Blick, was in Prozessen und betrieblichen Strukturen verankert werden muss, damit die Umsetzung von Nachhaltigkeit gelingt.

Themengruppe 2: KOOPERATION

  • Wie bringen uns Partnerschaften im Shift in Richtung Nachhaltigkeit leichter und auch schneller voran? Diese Themengruppe beleuchtet die Erfahrungen aus Kooperationen und lotet zudem neue Verbindungen im Netzwerk aus.

Themengruppe 3: KOMMUNIKATION

  • Der Shift in Richtung moderner Wirtschaft braucht den Push, die richtige Sprache. Verstehen, zum Mitmachen anregen, motivieren, inspirieren. Gelingt uns ein Narrativ für die Region, das gemeinsam voranbringt?

Themengruppe 4: VORBILD

  • Die individuelle Perspektive: Welche Rolle und Vorbildwirkung haben Führungskräfte idealerweise bzw. können sie einnehmen? Und was brauchen sie dafür an Unterstützung?

 

Nach der Vorstellung der Arbeitsergebnisse im Plenum klang der diesjährige VZ Thementag bei einem abendlichen Imbiss und einem Glas Wein gemütlich aus. Fortsetzung im kommenden Jahr folgt.

 

 

Hier geht es zum Google Fotoalbum mit allen Fotos vom Tag.

 

Herzlichen Dank allen ReferentInnen für die bereichernden und motivierenden Impulse, Contento für das genussvolle Catering den Tag über und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die rege Beteilung und das gute Feedback. Ein Netzwerk ist so stark wie seine Partner– da wurde einmal mehr bewusst: Wir sind gemeinsam stark.